Der schon mehrfach als kommender Nobelpreisträger gehandelte Quantenphysiker Anton Zeilinger im Labor in der Wiener Boltzmanngasse.

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STANDARD: Seit Bekanntgabe des Koalitionspakts wird in der Öffentlichkeit die Zusammenlegung von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium kritisiert. Wissenschafter und Rektoren protestieren und sprechen von fataler Symbolik. Wie denken Sie darüber?

Zeilinger: Es besteht die Befürchtung, dass der geringe Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in der österreichischen Öffentlichkeit damit nicht nur bestätigt, sondern sogar verstärkt wird. Die Dotierung der Grundlagenforschung darf von dieser Zusammenlegung jedenfalls nicht negativ beeinflusst werden. Ich schlage aber vor, dass das neue Ministerium Wissenschaft und Forschung im Namen trägt. Damit würde man zeigen, dass die Regierung unsere Themen prioritär behandelt und dass sich die Befürchtungen, unter die Räder zu kommen, nicht bewahrheiten. Das wäre ein klares Signal.

STANDARD: Sie wirken recht optimistisch. Was macht Sie hoffnungsfroh?

Zeilinger: Ich habe im Laufe der letzten Wochen mit einigen Spitzenpolitikern von SPÖ und ÖVP gesprochen, weil ich sicherstellen wollte, dass die Anliegen der Wissenschafter in den Koalitionsverhandlungen Gehör finden - und erntete überall Verständnis. Man weiß, dass die Forschung insgesamt und die Grundlagenforschung im Besonderen deutlich mehr Geld braucht, damit die von Bundesregierung selbstgesteckten Ziele erreicht werden können. Das ist schon ermutigend.

STANDARD: Wie viel mehr brauchte die Grundlagenforschung?

Zeilinger: Wir haben zwölf Prozent Wachstum pro Jahr errechnet. Es geht um die Frage: Gelingt diesem Land ein Befreiungsschlag gegen gewisse lähmende Mechanismen der Politik? Es kommt auf die einzelne Persönlichkeit an, die die Dinge entscheidet und sagt: So, jetzt machen wir das, wir unterstützen die Forschung mit deutlich mehr Geld als bisher. In Deutschland hat die neue Koalitionsregierung die Forschung zum zweitwichtigsten Anliegen der nächsten Legislaturperiode gemacht. Eine so klare Aussage fehlt mir in Österreich, aber die neue Regierung kann das ja in der Umsetzung noch zeigen.

STANDARD: Was passiert, wenn die österreichische Regierung keinen Wachstumspfad in der Forschungsförderung geht?

Zeilinger: Das wäre eine Tragödie für dieses Land. Wir stehen an einer Weggabelung. Wir haben zahlreiche junge Topwissenschafter in Österreich, die hier eine erstklassige Ausbildung erhalten haben und nun bereit sind, etwas Selbstständiges in ihrer Wissenschaft zu machen. Das ist die Grundlage eines Hochtechnologiestaates. Wir haben die Chance, zu den Spitzenreitern aufzurücken - darum geht es. Wenn wir diese Chance nicht sehen, dann wird Österreich diese Leute verlieren, zu einem Dienstleister werden und ins Mittelmaß fallen. Jetzt geht es darum, eine klare Entscheidung zu treffen, wohin die Reise geht.

STANDARD: Sie sagen seit Ihrer Wahl, dass Sie der Gelehrtengesellschaft in der Akademie mehr Gehör verschaffen wollen. Wollen Sie damit die Wissenschaft auch in politische Prozesse besser verankern?

Zeilinger: Mir gefällt das Modell der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften sehr gut. Sie stehen der Politik beratend zur Seite. Dabei werden aktuelle Fragestellungen wie Migration, nationale Identität, Stadtentwicklung und Energie behandelt. Die Politik nimmt keinen Einfluss auf die Ergebnisse, auf der anderen Seite stellt die Akademie sicher, dass sie auf höchst sachlichem Niveau darüber diskutiert und zu ihrer Antwort kommt. Das Modell ist ein guter Ansatz für Österreich.

STANDARD: Wenn wir schon bei Vergleichen mit anderen Akademien sind: Die Leopoldina hat auch ein Alterslimit für das Stimmrecht ihrer Mitglieder eingeführt. Die stimmberechtigten Mitglieder der Gesamtsitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind zum Teil deutlich älter. Besteht Handlungsbedarf?

Zeilinger: Ich weiß von der Kritik am Altersdurchschnitt der stimmberechtigten Mitglieder - und daran müssen wir arbeiten. Ich weiß aber auch, dass viele ältere Kollegen sehr aktiv und in Diskussionen manchmal zukunftsorientierter als jüngere sind. Sie verfolgen auch keine Eigeninteressen mehr, sie wollen nur mehr Wissenschaft machen. Ich denke da an den Nobelpreisträger Max Perutz. Ihn habe ich etwa ein halbes Jahr vor seinem Tod kennengelernt. Er war geistig äußerst agil und hat voller Leidenschaft von seinen aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten erzählt. Viel wichtiger als Fragen des Stimmrechts ist mein Vorhaben, mehr junge Wissenschafter und vor allem mehr Frauen zu vollen Mitgliedern zu machen. Das ist ein zentrales Anliegen.

STANDARD: Es gibt Stimmen, die die Reform der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kritisieren. Sie würde insgesamt nicht tiefgreifend genug sein und bei Themen wie Verjüngung steckenbleiben. Können Sie dieser Kritik etwas abgewinnen?

Zeilinger: Den einen geht die Reform zu weit, den anderen ist sie zu wenig. Ich stelle jetzt alle beanstandeten Punkte aus der jüngsten Vergangenheit zusammen. Die Wortmeldungen zur Akademiereform sind ja sehr zahlreich. Und dann werden wir die Themen besprechen und abarbeiten. Mir ist wichtig, dass über der Trennung zwischen Gelehrtengesellschaft und Forschungsträger der Präsident der Akademie steht - und dafür sorgt, dass kein Einfluss von außen möglich ist.

STANDARD: Ein Diskussionspunkt waren zuletzt unterschiedliche Organisationsformen innerhalb der Akademie. Es gibt drei große Institute, das Gregor-Mendel-Institut (GMI), das Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) und das Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA), die als GesmbH geführt sind. Gefällt Ihnen dieses Modell?

Zeilinger: Wir haben es seinerzeit am Institut für Quantenphysik IQOQI nicht gewählt, weil es uns mehr Geld gekostet als gebracht hätte. Es hat, so sagt man mir, finanztechnische Vorteile. Aber in der Governance ist es vielleicht nicht optimal. Eine GesmbH hat ja eine Gesellschafterversammlung, die vertritt im Normalfall wirtschaftliche Interessen. Es gibt starke Stimmen innerhalb der Akademie, die sagen, dass man dieses Modell nicht auf Wissenschaftsorganisationen anwenden sollte. Es gibt auch Mitglieder, die für eine einheitliche Lösung unter dem Dach der Akademie wären. Das sind alles Argumente, die vernünftig klingen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich sie teilen kann. Das muss man sich anschauen. Ich nehme an, dass es im nächsten Jahr zu einer klaren Entscheidung kommt. Die Spitzenleistungen aller Institute, auch der genannten, müssen durch eine Reform noch besser unterstützt werden.

STANDARD: Haben Sie neben all diesen Überlegungen noch Zeit für die Forschung?

Zeilinger: Ich kann die Wissenschaft nicht verlassen. Wenn ich abends oder am Wochenende ans IQOQI in der Wiener Boltzmanngasse komme, warten oft schon meine jungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, um mit mir wissenschaftliche Fragen zu diskutieren.

STANDARD: Haben Sie sich ein Limit gesetzt, wie lange Sie als Präsident tätig sein wollen? Zwei Amtsperioden?

Zeilinger: Jetzt stehen wir am Beginn. Acht Jahre sind eine lange Zeit. Irgendwann sehe ich mich schon wieder zu hundert Prozent in der Forschung. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 18.12.2013)